Gartengast zum Überwintern
„Wir haben einen winzigen Igel durch den Park flitzen sehen!“, teilte mir der große Sohn gestern mit, als ich bei einsetzendem Regen meinen Schnickeldi-Weihnachtsmarktstand in eben diesem Park abbaute, „Der hat wohl keine Chance, oder?“.
Wohl nicht, Igel sollten jetzt bekannterweise ihren Winterschlaf halten, eingebuddelt in dicke Laubhaufen und hoffentlich schön fett gefressen.
Mit wenig Hoffnung machten wir uns auf die Suche nach einem winzigen Igel in einem gar nicht so kleinen Gemeindepark, doch schließlich war es der Jüngste, der den Igel auf der Wiese rennen sah. Die Tochter fing ihn in einem Karton und bereits auf dem Heimweg begannen wir zu recherchieren, wie ein Igel für´s Überwintern fit zu machen ist.
Daheim zeigte sich ganz klar: das Tierchen ist viel zu klein und zu mager, das kann erstmal nicht raus.
310g nur, ausgewachsene Igel bringen über 1000g auf die Waage, zum Überwintern sollte ein Igel mindestens 800g wiegen.
Gesund schien der Kleine zu sein, er rollte und entrollte sich ausgesprochen putzig und bis auf Millionen von Flöhen schien er keine Parasiten mit sich herumzuschleppen. Das typische Igelröcheln, das meistens von Würmern in der Lunge verursacht wird, konnten wir hören, aber etwas daran ändern ließ sich sowieso nicht.
Im wohlsortierten Krusch in der Kelterhalle fand sich eine große Holzkiste, im Katzenfutterregal das vom Kater verschmähte Nassfutter und ein Eckchen Hasendraht lag noch in der Werkstatt. Eine Notfall-Igelkiste war schnell gebaut. Wir befüllten kleine Blumentopfuntersetzer mit Futter und Wasser, setzten das Igelkind dazu und freuten uns sehr, als es nach einer Viertelstunde fröhlich aus der Kiste schmatzte. Auch die Verdauung wurde umgehend angekurbelt. Alles gute Zeichen für ein gesundes Tier.
Wir befestigten den Hasendraht mit Reißzwecken an der Holzkiste, decken sie mit Zeitung ab und gingen schlafen.
Am nächsten Morgen (heute) zeigte sich dann, dass Igel einen unbändigen Ausbrecherwillen haben und äußerst geschickt sind. Oder vielleicht auch Kater zu Hilfe rufen, wer weiß das schon. Der Hasendraht jedenfalls war an einer Ecke hochgebogen, die Reißzwecke hatte nicht genug Widerstand leisten können.
Quer durch den Raum zog sich eine beeindruckende Spur aus Igelkacke (niemals hätte ich vermutet, dass soviel Kacke in solch ein winziges Tier passt!), die im untersten Fach des Bücherregals endete. Der Kater marschierte betont desinteressiert durch das Zimmer, höchst verdächtig also, doch er verriet uns nicht, wo sich das Igelkind versteckt hielt.
Das tat das Igelkind schließlich selbst, seine Stacheln schabten auf Metall. „Hab ich dich!“, freute ich mich zu früh und räumte die Holzscheite unter dem Ofen hervor. Außer einer empörten Spinne und sehr viel Staub fand ich nichts. Das Schaben kam aber eindeutig aus dem Ofen und da saß er dann auch. Hinten, IM Ofen, da wo die Leitungen Wasser zu- und abführen. (unser Holzofen unterstützt die Warmwasserbereitung, d.h. wenn wir anfeuern, wird warmes Wasser in einen Pufferspeicher geführt.)
Da klemmte er nun. Hatte sich in Panik immer weiter reingewurschtelt, so dass wir ihn auch nicht packen konnten. Der beste Vater meiner Kinder stieg schließlich in der Kelterhalle (die unter unserem Wohnzimmer ist) auf die Leiter und entfernte die Isolationsschicht unter dem Igel. Dann versuchte er ihn nach oben zu drücken, was aber nicht gelang, weil zwei Metallkanten im Weg waren. Wir tauschten die Plätze. Ich stieg auf die Leiter in der Halle, er drückte den Igel vorsichtig nach unten. Und das gelang dann auch, ich fing einen unwillig grunzenden Igel.
Ob das Igelkind nun bei dieser Aktion verletzt worden war, konnten wir nicht feststellen. Er fraß direkt fröhlich und schien guter Dinge. Uns hingegen wackelten die Knie und es war auch nur mäßig lustig, das rasch vom Ofen abgeschraubte Blech wieder anzubringen.
Zwei Stunden später öffnete endlich der Tierarzt. Wir erfuhren, dass der Kleine dem ersten Anschein nach gesund, aber natürlich viel zu klein und leicht ist. Eine genauerer Untersuchung sei nur mit Inhalationsnarkose möglich, doch dafür bestünde erstmal kein Anlass. Es gab eine sehr kleine Dosis Anti-Floh-Mittel und eine sehr große Dosis Anti-Flohmittel für den Kater daheim, denn die vom Igel vertrieben Flöhe suchen sich natürlich einen neuen Wirt. Dass die vom Kater vertriebenen Flöhe sich nun ausgerechnet mein Bein auserkoren haben, finde ich unschön, zumal es für mich kein Anti-Flohmittel gibt. Ein weiterer Tierarztbesuch ist nur dann nötig, wenn uns irgendetwas komisch vorkommt. Zum Ende der Untersuchung streckte das Igelkind vorwitzig die Nase raus und somit konnte auch ein Fliegenmadenbefall der Nase ausgeschlossen werden.
Das Igelkind lebt derzeit in der Holzkiste, auf der der Hasendraht liegt, der wiederum von einem Schlitten festgehalten wird. Eine höchst abenteuerliche Konstruktion, aber bis wir etwas anderes gebaut haben, effektiv. Es schnarcht äußert niedlich in seinem Milchkartonhäuschen und frisst etwa alle vier Stunden. Dazwischen kackt es die doppelte Menge des Gefressenen wieder aus. Ich bin sehr gespannt, wieviel es nachher auf die Waage bringt.
Wir füttern mit Katzennassfutter und Rührei, morgen gibt es ein bißchen gebratenes Hackfleisch.Und dass wir alle schrecklich verliebt sind, muss ich nicht eigens erwähnen.
Für Tipps und Ratschläge bin ich offen und dankbar, wir sind Igelüberwinterungsanfänger!
Christine
08. Dez. 2014 @ 20:40:11
Ich hab früher selbst eine Menge Igel über den Winter gebracht (meine armen Eltern haben so einiges mitgemacht ;-)) und betreue inzwischen als Tierärztin diverse Igel einer älteren Dame, die jeden Winter ihrerseits den Tierchen über den Winter hilft.
Hat der Kleine denn eine Spritze gegen die Würmer bekommen? Das ist mit der Flohbekämpfung mit das Wichtigste, was man machen sollte (sofern der Igel ansonsten fit ist).
Übrigens kann man Igel auch ohne Narkose untersuchen (es sei denn, man muß ihn wirklich genaustens angucken oder etwas an ihm machen)! Dazu mit der Hand über den Rücken streichen, bis er sich ausrollt oder evtl. vorsichtig an den Hinterbeinen anheben.
Liebe Grüße, auch an das Stacheltier :-)
Christine
08. Dez. 2014 @ 20:44:43
Ach ja, hier gibts eine Menge super Informationen zur Igelpflege, ab S. 32 gehts los!
http://www.pro-igel.de/merkblaetter/publpdfs/tierarzt.pdf
Rona
08. Dez. 2014 @ 20:51:27
In der grünen Villa ist immer was los!
Alles Gute allen Mitbewohnern – und freue mich auf weitere Igel-Erlebnisse.
Vanessa
09. Dez. 2014 @ 10:37:13
Ich auch. :-)
Gabi K
08. Dez. 2014 @ 21:22:14
Habt ihr einen kühlen Platz zum überwintern? Wenn er denn dann dick genug ist. Wir haben das Igelhaus im Hasenstall im Garten untergebracht, da hatten sie Ruhe und kühl genug zum schlafen. Gut gepolstert mit Zeitungsschnipseln, Laub und Heu zum reinkriechen. Alle vier haben bei uns überlebt. (waren wohl Wurfgeschwister, die unseren Garten noch so spät besuchten).
Peggy
08. Dez. 2014 @ 23:25:11
Gibt es bei Euch eine Igelhilfe o.ä. in der Nähe. Fragt doch dort mal nach, die geben Tips.
montez
09. Dez. 2014 @ 11:51:45
Das Abenteuer habe ich letzten Winter erlebt. Ebenfalls mit mehreren Ausbruchsversuchen, allerdings weniger aufreibende. Mein schlaues Igelbuch (das ich leider weder im Netz noch in echt wieder finde, aber vermutlich ist jedes andere genauso gut) hat unermüdlich betont, wie wichtig es ist, dass er zumindest kurz noch schläft. Als er 500 g hatte, habe ich das Nassfutterfüttern eingestellt und ihm nur noch Trockenfutter und Wasser hingestellt. Er ist tatsächlich ein paar mal aufgewacht und hat ein bisschen gevespert, gekackt aber so gut wie nicht mehr. Im Frühjahr hab ich dann noch ein bisschen gepäppelt und ihn im Sommer noch ein paar mal gehört. Ich hoffe, er ist wohlauf, bzw. schläft tief. Ich mochte ihn sehr. Viel Glück!
montez
09. Dez. 2014 @ 12:08:55
Ach, und solange man füttert: Frostfrei. Wenn der dann schlafen soll: Kalt. Hat mein Buch gesagt. Hat jedenfalls geklappt.
Elke
09. Dez. 2014 @ 15:47:05
In meinem Garten gab es ab Mitte September eine Hecke von 4 kleinen Igeln, die sich allabendlich an der Katzenfütterstelle gütlich taten ( einträchtig mit Katz und Spitzmäusen). Den Igeln schmeckte vor allem die Katzenmilch! Bis Ende November wurden sie dadurch rund und moppelig; jetzt schlafen sie hoffentlich unter den Laubhaufen in den wilden Gartenecken. Viel Glück!
Carmen
10. Dez. 2014 @ 09:15:45
Ich muss dir ganz ehrlich gestehen, dass ich kein Fan vom Igel überwintern bin. Wenn sie den Winter in den meist zu warmen Kellerräumen überhaupt überstehen, so schlafen sie dennoch zuwenig. Überwinterte Igel haben schlechte Karten den nächsten Sommer und den darauffolgenden Winter zu überstehen. Wenn ich im September oder Oktober zu kleine Igel entdecke, dann füttere ich sie nach und überlass der Natur ihren Lauf. Das einzige was ich anbieten kann ist ein naturnaher Garten mit vielen Igelverstecken. Wenn sie den Winter überleben ist es gut, wenn nicht, ist es halt so. Ich kann mir vorstellen, dass meine Ansichten nicht auf Gegenliebe stossen, es ist nur so, dass sich schon einige Leute in meinem Umfeld einen Igel zum Überwintern ists Haus geholt haben und dachten das sei besser so für ihn. Was es aber bedeutet einen ganzen Winter lang einen Igel durchzufüttern wird weniger bedacht. Dann würde ich ihn noch lieber in eine Igelstation geben, wo er nicht alleine ist und in Aussenquartieren ein sehr kühler Überwinterungsplatz gegeben ist.
Viel Glück mit eurem stachligen Gesellen!
Lg Carmen
Pia
10. Dez. 2014 @ 09:51:55
Hallo Carmen, das Ziel ist es, den Igel fett zu füttern und ihn dann im Gartenschuppen „schlafen zu legen“. Und ihn im nächsten Frühjahr wieder auszuwildern, gerne in unserem Garten. Dass das nicht so leicht ist, merken wir durchaus und ich muss unbedingt nochmal darüber schreiben, dass Igel zwar entzückend sind, aber definitiv keine Haustiere.
Ich gebe Dir recht, was das Zufüttern im Herbst und die Igelschlafplätze im Garten anbelangt und auch ein bißchen bei „nur die Starken überleben.“ Aber ich hab den Kleinen nun mal gefunden. Ihn seinem Schicksal zu überlassen wollte ich nicht, ich versuche ihm die bestmögliche Chance zu geben.
Katha
12. Dez. 2014 @ 12:40:17
Wir haben auch einen Igel überwintert und trotz einiger Schwierigkeiten lebt er nun schon seit ca. 3 Jahren in unserem Garten. Es gibt fertiges Igelfutter, nass in Schälchen und trocken in Tüten, sehr bequem, anfangs habe ich aber auch ungewürztes Rührei angeboten. Wir haben aus Holzresten ein sehr einfaches Igelhaus gezimmert und das auf eine Holzplatte (Ikea Fundgrube) gestellt und uns von Freunden ein Außengehege für Kaninchen geliehen. Ich habe zweimal täglich das Haus frisch mit Zeitung und Stroh ausgelegt, den Auslauf nur mit Stroh und viel (!!) Heu. Den Igel an der Fundstelle (stark befahrene Straße, er kauerte dort neben einem größeren, toten Igel) auszusetzen klappte bei uns nicht, er blieb in unserem Garten. Anfangs haben wir noch gefüttert und täglich frisches Wasser angeboten, heute versorgt er sich völlig alleine. Wir erkennen ihn nur noch an der Zutraulichkeit, er sitzt ab und zu mit uns im Garten ;-)
Viel Erfolg!
Frau … äh … Mutti » Archiv » Egozentrisch und narzistisch, Teil X
28. Dez. 2014 @ 00:54:46
[…] Viel zu leicht und zu klein für die Jahreszeit, obendrein wimmelnd von Parasiten. Wir nannten ihn Henry the Weight und zuerst sah es so aus, als könnten wir ihn aufpäppeln. Doch trotz Antibiose vom Tierarzt, […]